"Das Studium ist die beste Zeit in deinem Leben. Genieß sie doch einfach und feier."

Ein paar (ungewohnte) emotionale und sehr persönliche Gedanken zum berühmten
Spruch "Das Studium ist die beste Zeit in deinem Leben. Genieß sie doch einfach und
feier." und etwaige Klischees (Spoiler: oft nur Vorurteile), die wir (Studierenden) oft
hören. Und über Heimat.
Montag morgens stehe ich barfuß in meiner Wohnung. Die Nächte sind wieder kurz. Die Sonne
blendet mich durch das halb geöffnete Rollo. Ich rufe nach ihm, doch es antwortet mir nur die
Stille. Auf meinem Tisch liegt eine Reisetasche, geöffnet und durcheinander. Ich nehme mir
einen abgelaufenen Kinder Pinguin aus dem Kühlschrank und setze mich auf das kaputte
Ledersofa, das ganz heiß von den Sonnenstrahlen ist. Gestern um diese Zeit wurde ich noch
mit den Worten „Frühstück ist fertig!“ von der genervten Stimme meines Vaters geweckt. Meine
Eltern haben bereits gegessen, doch mein Platz war noch gedeckt, die Brötchen und die Eier
von unseren Hühnern liebevoll frisch und warm gehalten. Unsere Hündin kommt und setzt sich
neben mich. Ihre Augen sind aufmerksam auf meine gerichtet. Der Hahn kräht, Vögel
zwitschern, der Hund atmet. Eine Kettensäge kreischt. Das alte Ramones-Shirt meines
Freundes riecht wunderbar nach ihm. Dieser wohltuende Duft weckt auch die letzten
schlafenden Schmetterlinge in meinem Bauch. Im Hintergrund meckert meine Oma über das
Wetter. Ein Trecker fährt vorbei. Jetzt öffne ich das Fenster, doch niemand meckert, kein Vogel
zwitschert, niemand sägt. Ich höre nur meinen eigenen Atem. Dann lauten Verkehr, Sirenen
und (vermeintlich) betrunkene Studenten. Mein Oberteil riecht auch widerlich nach bunten
Blumen - oder billigem Weichspüler. Es stinkt.
Ein Gefühl der tiefen Einsamkeit beginnt mich zu erfüllen, doch in der Ferne sehe ich schon
unsere Hündin, wie sie mich, wild jaulend und tänzelnd hinter dem Zaun wartend, begrü.t, als
ich nach fünf gnadenlos gefüllten Tagen wieder mit meinem Auto in unsere Einfahrt einbiege.
Doch nun meldet sich erst einmal mein Smartphone und erinnert mich wieder an die
unzähligen, akribisch sortierten To-Do-Listen, die ich bis Freitag bekämpft haben muss, bevor
ich am Freitag wieder in mein Auto steigen darf.
Für manche Studierende ist es halt nicht die tollste Zeit, in der man nur feiern möchte. Klar,
diese Zeit hat auch ihre Vorzüge und Studieren macht auch total Spaß und ist wahnsinnig
interessant. Ich persönlich freue mich aber auch schon sehr auf eine beständigere Zukunft ohne
Pendeln, wenn ich (hoffentlich) als fertige Lehrerin wieder zurück in die Heimat komme, (nach
fast einem Jahrzehnt) endlich mit meinen Freund zusammenziehen kann, vielleicht einen
eigenen Hund habe, mehr Zeit für meine Familie und Freunde habe, weniger (finanzielle)
Sorgen haben muss, vielleicht wieder Zeit für zeitraubende Staus haben mag... Alles Dinge - die
aufgrund meiner eigenen Entscheidungen - zurzeit noch schwierig sind. Auch wenn dann
vielleicht einiges nicht mehr so ist. Menschen könnten Zuhause vielleicht nicht mehr sägen oder
meckern, der Hund könnte nicht mehr jaulen, es könnte alles anders sein.
Aber das ist wohl neben der gelegentlichen Einsamkeit immer das Risiko, das man eingehen
muss, wenn man ehrgeizig an einem Ziel arbeitet. Man verpasst Dinge, die einem eigentlich
noch viel wichtiger als gute Noten sind. Und das tut mir auch leid.
Also feier ich nicht oft, sondern bemühe mich, (mich) nicht mehr lange warten zu lassen.
Und wenn ich (wie fast alle Studierende) dafür dann neben dem (auch so schon
anstrengendem) Studium - als "gefühlte Hartz-IV-Bedürftige, auf die Eltern stolz sind"
(zugegebenermaßen ein riskanter Begriff, der aber leider oft besser zutrifft als jedes nette Wort)
- auch noch am Wochenende arbeiten muss, damit ich meine Liebsten nicht allzu sehr belaste
und Dinge machen kann, die mir dann auch noch am Herzen liegen und für die man die noch
übrig gebliebene Zeit noch gerne verwendet (bei mir sind es Ehrenämter und soziales
Engagement), dann ist das halt so. Dann bin ich kein Spießer und man muss mir auch nicht an
den Kopf werfen, dass ich überarbeitet bin. Ich habe mir das so selbst ausgesucht. Ich will das
so.
Das Thema mit dem Geld ist allerdings ein anderes Thema.
Wichtig ist und das bezieht sich auf ALLE(S): Sagt bitte NIEMANDEN, was man zu tun hat
oder wie man sein soll, wenn es so viele (übrigens ganz individuelle) Leben gibt. Das
könnte immer für irgendjemanden unangenehm enden. Man kann auch niemals wissen (ohne
nett gefragt zu haben), welche Gründe jemand für einzelne Entscheidungen haben mag. Nur
weil jemand nicht zufällig auf bequemliche "Klischees" passt, muss man noch lange nicht
versuchen ihn/sie/es dort hinein zu drücken. Wieso nicht einfach damit aufhören?
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